Freitag, 9. Oktober 2015

Bereicherung!

Ich möchte mich heute noch einmal zu meinem derzeitigen Alltag äußern. Dieses Mal weniger besorgt, denn man muss diesen ganzen negativen Kommentaren, welche oftmals nur auf Einzelfällen beruhen, auch einfach was Positives entgegensetzen. Und so möchte ich euch von meinen bereichernden Erlebnissen mit Asylbewerbern berichten. Damit man vielleicht auch positive Einzelfälle nutzt, um sich daraus eine Meinung zu bilden. Nein, das ist nicht der Sinn. Ich möchte, dass man abwägt und nicht immer alles pauschalisiert. Es gibt nicht nur schwarz und weiß. Es gibt so viele unterschiedliche Farbnuancen und man sollte jede einzeln betrachten, ohne sie aufgrund ihres Schimmerns zu verurteilen, bevor man sie kennengelernt hat. Warum haben wir verdammt nochmal alle so viel Angst vor dem Fremden, Unbekannten?



Wie viele bereits wissen arbeite ich in der Kleiderkammer unserer Stadt. Ehrenamtlich. Als eine von circa 95% Frauen. Ich kann nur beim Sortieren helfen, anders schaffe ich es zeitlich meist nicht. Ich habe es in den Semesterferien auch einmal geschafft, bei der Ausgabe zu helfen. Was mir emotional sehr nahe ging. Meistens bin ich nach dem Arbeiten körperlich am Ende (Hallo Muskelkater vom Kisten schleppen), an diesem Tag war ich es vor Allem psychisch. Vielleicht bin ich deshalb auch froh darüber nicht jedes Mal dabei sein zu können. Ich weiß es nicht. 

Beim Sortieren diesen Montag kam ich wieder in Kontakt mit einem Flüchtling. Ohne es direkt zu merken. Während des Arbeitens kam ein junger Mann in unseren Raum und wurde in die Arbeit "eingewiesen". Er sprach kaum Deutsch, aber Französisch. So konnte ich meine Sprachkenntnisse mal wieder auffrischen, und wir hatten einen regen Austausch. Ein wenig "Esperanto". Im Laufe des Gesprächs erzählte er mir, dass er ein Lehrer aus Algerien sei und auch Asyl hier suche. Er kann aber auch nur montags helfen, da er sonst noch in einem Altersheim aushelfe. Und er möchte es weiterhin. Es hat ihm Spaß bereitet und Freude, selbst tätig zu sein. Ich kann euch dieses Gefühl in mir nicht beschreiben. Aber ich bewundere diese Eigeninitiative trotz stetiger Barrieren. Und diese Hilfsbereitschaft, obwohl man selbst auch Hilfe brauchen kann. Ich glaube, er war einfach froh, wieder eine "Funktion" zu haben, und auch als Mensch gesehen zu werden. Ich freue mich auf jeden Fall wieder auf nächste Woche und weitere nette Plaudereien.


Des Weiteren habe ich einen Sprachschüler aus Syrien. Er ist 25 Jahre alt und Programmierer. Er spricht ein wenig Englisch und lernt eifrig Deutsch. Die positiven Erfahrungen, die ich in den wenigen Stunden, die ich mit ihm verbrachte, machen konnte, werde ich nun auch schildern. Unser erstes Lerntreffen wollten wir auf möglichst neutralem Boden stattfinden lassen und so zeigte ich ihm ein Café in unserer Stadt und wollte ihm zu einem Kaffee einladen. Im Gegensatz zu ihm machen mir zwei Euro wohl weniger aus, auch wenn ich als Studentin nicht die Vermögendste bin. Bevor ich allerdings bezahlen konnte, hatte er dies schon erledigt. Innerlich war ich ein wenig sauer, aber es freute mich doch sehr. Dass man Hilfe im Kleinen anerkennt. Wir haben uns in der letzten Woche dreimal gesehen. Und mittlerweile könnte man behaupten, dass wir sowas wie Geschwister sind. Der Altersunterschied ist nicht gravierend, wir reden über alles mögliche und er liebt die Minnie über alles. Als er sie das erste Mal gesehen hat, überfiel er sie mit Küssen und Worten. Die Kleine war vollkommen überfordert. Aber so etwas habe ich hier noch nie erlebt. Dass Kinder so geschätzt werden. Es fällt mir auch immer wieder bei unserer türkischen Nachbarin auf. Kinder sind hier eine absolute Bereicherung, sie sind wertvoll. Hier können wir so viel von anderen Völkern lernen. Auch als ich einmal ein Treffen absagen musste, weil unsere Kleine kränkelte, bot er mir an, uns sofort zum Doktor zu begleiten. Als ich Geburtstag hatte, wollte er mir direkt ein Geschenk mitbringen... Und er bezeichnet mich als seine Schwester. Vielleicht weil er seine zwei Schwestern und die Mutter verließ und vermisst und insgeheim auch wieder von der Faszination Familie träumt. Am Montag wird auch er in der Kleiderkammer helfen, ich werde ihn also darauf vorbereiten, indem ich ihm Kleidungsstücke auf Deutsch erkläre. Genauso unser Sortiersystem. Ich bin so froh, dass wir endlich weitere männliche Helfer haben. Gerade diese schweren Kartons schleppen war nicht immer einfach. Und so wie ich die Jungs kenne, werden sie die kleinen Mädels eh nix schleppen lassen. 


Ich weiß nicht, wie es innerlich in den Flüchtlingen aussieht. Ich will auch nicht spekulieren. Ich möchte nur positive Erfahrungen darlegen. Es sind Kleinigkeiten. Überall. Wir können mit Kleinigkeiten helfen. Sie bedanken sich mit Kleinigkeiten, helfen auch - und dass, obwohl sie es nicht müssen. Weil Asyl das Recht jedes Menschens darstellt. Ich möchte ohne Argumente den negativen Meinungen etwas entgegensetzen, ohne Fluchen und Beschimpfen. Und sagen, sie sind eine Bereicherung. Beziehungsweise sie können es sein, wenn man sich auf sie einlässt. Und weil es bereichernd ist schicke ich es zum Freutag.

Herzlichst, eure Ephrata

Schnittmuster: Mariella von Mialuna in Größe 98 / 104
Stoff: Candy Cat von Lillestoff

Den Schnitt habe ich diese Woche schon einmal gezeigt, und weil ich ihn so liebe hab ich ihn glatt zweimal genäht - das war aber noch nicht alles, das verspreche ich. Dieses Mal mit langen Bündchen. Jetzt muss die Kleine nur noch reinwachsen.

Ab damit zu KiddiKram, Meitlisache und Ich-näh-Bio.

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